Niemand auf dieser Welt hatte es wirklich bemerkt und somit war niemand
in der Lage, es auch nur annähernd zu verhindern.
Schon kurz nach der Geburt hatte sich in sein Denken ein Gefühl
eingeschlichen, das ab diesem Tage nicht mehr von ihm weichen sollte.
Noch war es etwas sehr persönliches, vielleicht auch etwas normales,
sozusagen etwas individuelles, doch seine Mutter hätte sich nicht
träumen lassen, dass sich hinter diesen kleinen, feuchten, harmlosen
Augen, solch obskure und tiefe Gedanken abspielen könnten. Sie
hielt ihr Baby in ihren Armen und wiegte es hin und her. Er hingegen
schrie wie am Spieß und fragte sich wann sie ihn nun loslassen
und achtlos in die Ecke schmeißen würde.
Genau darin spiegelte sich schon seine frühe Denkweise wider, die
ihm alltäglich sagte, dass er unter ihnen niemals seine Ruhe haben
würde und dass sein gerade begonnenes Leben, ein ewiger Kampf werden
würde, "Sein Kampf".
Was wissen wir schon über den Tod? Auch er wusste nichts darüber,
er spürte nur, dass diese Welt sehr fremd war, mehr noch, sie war
ihm von Anfang an feindlich gesinnt.
Diese Welt konnte nur ein Übergang sein, ein kurzer Übergang
in das wirkliche Leben, was wir allgemein als den Tod bezeichnen.
Höchstwahrscheinlich war seine frühe ablehnende Haltung gegen
seine Mitmenschen genetisch bedingt, eine normale Mutation in seiner
Art, welches ein Hassgen gegen seine Umwelt hervorgebracht hatte.
Seine Familie war glücklich, dass er geboren worden war, vor allem
dass er gesund war und alle wollten vom ersten Tag an, nur das Beste
für ihn. Doch jede Liebkosung, jede Aufmerksamkeit, die man ihm
entgegen brachte, war für ihn etwas Feindseliges. Noch in der Wiege
und kaum zu einem existenziellen Gedanken fähig, wusste er schon,
dass er diesen Wesen, die ständig um ihn herumschwirrten, niemals
trauen würde.
Lächelten sie ihn an, dann sah er ihre Gesichter als bösartige
Fratzen, deren freundlicher Ausdruck nur eine Maske abgrundtiefer Lügen
war.
Seine Entwicklung schien normal zu verlaufen und es gab niemanden, der nur annähernd vermutete, was wirklich in diesem kleinen Kerl vorging. Ein ganz normales Menschenkind, so schien es jedenfalls.
Man hielt ihn weder für besonders schlau, noch stark, nicht einmal
schön oder mit irgendeiner anderen positiven Eigenschaft ausgestattet.
Andersherum hatte aber auch niemand etwas Negatives über ihn zu
sagen. Der kleine Mensch entwickelte sich einfach normal und schien
sich in dieser Welt anzupassen, wie viele Millionen anderer Kinder auch.
Hätte man jemals einen kleinen Einblick in seine Gedankenwelt bekommen
können, wäre einem wohl schnell aufgefallen, dass etwas nicht
stimmen konnte. Es gab aber auch äußerlich keinen Anlass
zu einer Vermutung über sein obskures Innenleben, allerdings unterschätzte
man seine Intelligenz. Der kleine männliche Mensch war sehr geschickt
darin, sein wirkliches Wesen zu verbergen. Er betrachtete seine Umwelt
voller Argwohn, aber mit höchster Aufmerksamkeit. Er beobachtete
genau wie Menschen mit Menschen umgingen, wie sie sich untereinander
verhielten, wie sie sich gegenseitig benutzten, wie sie sich belogen,
wie sie vorgaben einander zu lieben und sich doch ständig bekriegten.
Für ihn war es egal, ob er es mit wirklich ehrlichen Menschen zutun
hatte, alles was sie ihm vorlebten, war für ihn ein riesiges Schauspiel,
welches nur dazu diente, ihre abgrundtiefe Bösartigkeit zu vertuschen.
Man kann nun darüber denken wie man will. Man könnte sagen,
er wäre Zeit seines Lebens einem Irrtum aufgesessen, oder er hätte
einen genetischen Defekt seit seiner Geburt. Objektiv betrachtet jedoch
war seine Entwicklung eine Essenz menschlichen Daseins, ohne jeden Optimismus,
der wiederum für die meisten Menschen ein immens wichtiger Faktor
war.
Er glaubte nicht an Liebe oder Glück, es war ihm nicht vergönnt,
sich auch nur annähernd vorzustellen, wie sich dies anfühlen
könnte. Er sah seine nackte Existenz auf die Vollrichtung angeblich
bedeutungsvoller Aufgaben beschränkt. Es waren Aufgaben, die man
ihm anerziehen wollte, denen er jedoch nichts abgewinnen konnte. Er
suchte nach Aufgaben, die er sich selbst stellte, um diese Welt in das
richtige licht zu rücken, so dass sie für ihn greifbar und
verstehbar werden konnte.
Ein schöner sonniger Tag bedeutete ihm Nichts. Auch die Zärtlichkeit
der Mutter oder die Freude am Spielen mit anderen Kindern. Gutes Essen.
Nichts, aber auch gar nichts hatte eine positive Bedeutung für
ihn. Er sah seine Umwelt wie in einem Albtraum verschleiert, als eine
ständige Bedrohung, die nur darauf aus war, sein Leben zu gefährden
und den Zustand seines Daseins zu verschlechtern, was eh kaum noch möglich
zu sein schien.
Um es mit einem Wort zu sagen, er war paranoid! Abgrundtief paranoid!
Betrachtet man seine Umwelt etwas detaillierter, könnte man erkennen,
dass er nicht ohne Grund paranoid war, denn der Unterschied zwischen
ihm und seinen Mitmenschen war, dass diese ihre Umwelt als absolute
Realität akzeptierten und nicht im Entferntesten am Sinn und Zweck
ihres Handelns zweifelten. Alle Menschen schienen als ebensolche kleinen
unscheinbaren Menschenkinder auf die Welt gekommen zu sein, um nichts
weiter zutun, als zu akzeptieren sich in dieses Leben zu integrieren.
Nur die Wenigsten stellten sich fragen, über Sinn und Zweck ihres
Daseins, ihres Handelns oder versuchten auch nur annähernd das
menschliche Dasein als solches in Frage zu stellen.
Mit zunehmendem Alter wuchs sein Intellekt und ein Gebäude, aus
seiner Meinung nach logischen Gedanken, verdrängten die Gefühle
der Angst und des Misstrauens vor und gegen seine Mitmenschen. Er trat
in eine Phase des Denkens, die den meisten Menschen Zeit ihres Lebens
versagt bleibt. Er spürte förmlich, dass er den meisten Menschen
überlegen war und er prägte für sich selbst unumstößliche
Ideale. Mit steigendem Selbstbewusstsein war es an der Zeit, all seine
Kraft dafür einzusetzen, dass diese Ideale zur Realität werden.
Bis jetzt war alles im Verborgenen geblieben. Immer noch hielten ihn
seine Mitmenschen, für einen wie du und ich. Keiner hatte eine
Ahnung, dass er diese Welt nicht annähernd so verstand, wie man
es erwartete und tatsächlich seit seiner Geburt zu völlig
anderen Rückschlüssen zu dem Geschehen, was wir im Allgemeinen
als Leben bezeichnen, kam.
Doch während die Menschheit tagtäglich mit ihrer eigenen Unzulänglichkeit
zu kämpfen hatte und sicherlich nicht perfekt war, war in ihm eine
Ideologie gewachsen, die ein völlig neues Weltbild beschrieb, welches
für ihn, das einzig Perfekte darstellte.
Nun, wir wollen ihn nicht über alle anderen erheben, denn schon
immer gab es unter den Menschen, die einigen Wenigen, die Kraft ihres
inneren Antriebs, Veränderungen für alle brachten.
Aber bleiben wir bei ihm, dem Antimensch, der irgendwann soweit war,
all seine innere Kraft nach außen zu wenden und in seiner besonderen
Art befähigt, seine Umwelt zu mobilisieren, auf das sie sich uneingeschränkt
mit seinen Idealen identifizierten und sein Verständnis dieser
Welt zu ihrem eigenen machten.
Die Folgen davon waren, dass Völker ausbluteten und der gesamte
Erdball in ein Chaos gestürzt wurde, welches weit mehr als 50 Jahre
seine Folgen haben sollte.
Wir können ihn also als das Böse schlechthin bezeichnen und
ihn in unserer naiven Art dafür hassen, dass er alleine die Fähigkeit
besaß, Millionen und Abermillionen von Schicksalen negativ zu
beeinflussen. Wir können ihn glorifizieren oder schmähen und
all die Schuld auf seine Person reduzieren.
Doch er ist der Antimensch, der unter Menschen geboren wurde und aus
Ihrer Mitte gewachsen war.
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